Die Wesentlichkeitsanalyse im Bereich Nachhaltigkeit
Die Wesentlichkeitsanalyse ist eine Methode für Unternehmen, um zu identifizieren, welche Themen für das eigene Geschäft und die Stakeholder am wichtigsten sind.
Was ist die Wesentlichkeitsanalyse?
Wesentlichkeitsanalysen – auch als Materialitätsanalysen bekannt – kommen ursprünglich aus der Finanzbranche.
Inzwischen wird der Begriff aber hauptsächlich im Bereich von Nachhaltigkeit und im Rahmen von CSR-Berichten verwendet. Ziel ist es, alle relevanten sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Aspekte ausfindig zu machen, um dann die Aktivitäten in Bezug auf Nachhaltigkeit dahingehend zu lenken.
Was bedeutet die Wesentlichkeitsanalyse für die Nachhaltigkeit?
Wesentlichkeitsanalysen sind inzwischen vor allem im Bereich Nachhaltigkeit unerlässlich. Die Analysen helfen dabei, sowohl Ansprüche von Stakeholdern zu ermitteln, als auch die Prioritäten in Nachhaltigkeitsaspekten innerhalb des Unternehmens.
Eine wichtige Methode, um beide Pole miteinander in Verbindung zu setzen, ist die Wesentlichkeitsmatrix, die mögliche Handlungsfelder wie Emissionen, Ressourcenmanagement, Umweltschutz, Tierwohl, Arbeitsschutz oder Menschenrechte visualisiert. Mit diesen Ergebnissen können Risiken eingeschätzt und Maßnahmen beschlossen werden.
Inzwischen gilt die Wesentlichkeitsanalyse als Schlüsselinstrument für den CSR-Bericht. Sie eignet sich für verschiedene Unternehmen aller Größen und Branchen. Auch verschiedene ISO Richtlinien im Bereich Nachhaltigkeit setzen auf die Wesentlichkeitsanalyse, so etwa die ISO 2600.
Wie funktioniert die Wesentlichkeitsanalyse?
Eine erfolgreiche Wesentlichkeitsanalyse erfordert eine Menge von Daten. Die folgenden Schritte helfen deinem Unternehmen dabei, die Daten strukturiert einzuholen und dann zu verwerten, um zu identifizieren, wie wichtig und realistisch einzelne Nachhaltigkeitsthemen für deine Strategie sind.
Die Umfeldanalyse
Die Umfeldanalyse ist eine Auswertung sämtlicher externer Faktoren, die nur wenig oder gar nicht von dir als Unternehmen beeinflusst werden können. Trotzdem können sie eine enormen Bedeutung für die Nachhaltigkeitsstrategie haben.
Deswegen ist es so wichtig, sie zu bedenken. Dazu gehören umweltbezogene Einflussfaktoren wie Klimawandel, Biodiversitätsverlust, das Waldsterben oder Rohstoffknappheit. Auch gesellschaftliche und menschliche Faktoren wie die Convenience-Orientierung, veränderte Arbeitsweisen, Wandel der Ernährungsweise oder Überalterung sind zu berücksichtigen. Verbunden damit sind politische Einflussfaktoren, wie Globalisierung, Integration und steigende Anforderungen an Sozialsysteme. Zuletzt sind außerdem technische und wirtschaftliche Einflussfaktoren zu beachten: Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Elektromobilität oder zunehmender Wettbewerb.
Die Unternehmensanalyse
Die Unternehmensanalyse betrifft die internen Umstände deines Unternehmens und nimmt sie unter die Lupe. Stärken und Schwächen sollen dabei identifiziert werden.
Das Vorgehen erfolgt dabei recht unterschiedlich, abhängig vom Aufbau oder der Präferenzen des Unternehmens. Typisch ist beispielsweise eine Analyse nach Unternehmensbereichen (Produkt, Marketing, Entwicklung etc.), nach Kompetenz, Ressourcen und Geschäftsmodell oder nach Produktportfolio und Wertschöpfungskette.
Stakeholder Analyse
Stakeholder sind Interessengruppen eines Unternehmens. Dabei handelt es sich um eine diverse Gruppe von Menschen, sie können intern (Mitarbeitende) sein oder auch extern (Partner:innen, Kund:innen, Investor:innen, aber auch Regierungsbehörden und NGOs).
Stakeholder können den Unternehmenserfolg direkt beeinflussen, oder aber auch nur durch das Unternehmen beeinflusst werden. Dementsprechend ist es eine große Herausforderung, die vielen unterschiedlichen Interessen zu identifizieren und zu versuchen, sie in einen fairen Ausgleich zu bringen. Hilfreiche Mittel, um diese Bedürfnisse und Erwartungen herauszufinden, sind standardisierte Befragungen, qualitative Interviews, Workshops und Arbeitsgruppen.
Die Wesentlichkeitsmatrix
Die Wesentlichkeitsmatrix dient der Visualisierung und Priorisierung verschiedener sozialer, umweltbezogener und auch wirtschaftlicher Themen. Sie fußt auf den Ergebnissen der vorhergehenden Analysen und hilft, die als wichtig bewertenden Felder ins Verhältnis zu setzen
In der Regel besteht eine Wesentlichkeitsmatrix aus zwei Achsen:
X-Achse
Unternehmen: Die horizontale Achse betrifft alle Einflüsse oder Auswirkungen der verschiedenen Nachhaltigkeitsthemen auf Unternehmensseite. Themen mit hohem Einfluss werden rechts platziert, weniger relevante Themen links.
Y-Achse
Stakeholder: Hier werden die Interessen und der Einfluss verschiedener Themen auf die Stakeholder visualisiert. Für die Stakeholder wichtige Themen werden an der oberen Achse verortet, weniger relevante Themen weiter unten.
Die in den vorangegangenen Analysen identifizierten Themen werden dann in das Raster eingeordnet: Themen, die sowohl für das Unternehmen, als auch für die Stakeholder wichtig sind, landen im rechten oberen Bereich der Matrix. Diese Themen sind auch die, die im folgenden Prozess als wesentlich betrachtet werden und damit Einzug in die Nachhaltigkeitsberichterstattung und die Nachhaltigkeitsstrategie finden.
Wesentlichkeitsanalysen als Teil der Nachhaltigkeitsberichterstattung
Eine Wesentlichkeitsanalyse ist meist Teil eines großen Ganzen – etwa eines CSR–Berichts, oder Nachhaltigkeitsberichts, oder findet im Rahmen einer ISO-Zertifizierung statt.
Es ist unmöglich und auch nicht praktikabel, sich auf alle ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Faktoren der Nachhaltigkeit gleichermaßen zu konzentriert. Eine Priorisierung und Identifizierung der wesentlichen Faktoren ist also unerlässlich. Die Wesentlichkeitsanalyse hilft dabei und ist die Grundlage, um Ziele, Maßnahmen und KPIs (Kennzahlen) für nachhaltige Themen festzulegen. Die Wesentlichkeitsanalyse ist grundsätzlich freiwillig für Unternehmen, aber durch die neuen und erweiterten CSRD-Verordnungen sind immer mehr Unternehmen zu einem CSR-Bericht verpflichtet. In unserem Beitrag zu CSR-Berichtspflicht kannst du nachlesen, ob dein Unternehmen bereits betroffen oder in den nächsten Jahren betroffen sein wird.
Aktualisierung und Kontrolle
Nachhaltigkeit ist nie ein einmaliges Thema – auch die Wesentlichkeitsanalyse ist es nicht. Regelmäßig solltest du als Unternehmen überprüfen, ob die von dir als wesentlich identifizierten Themen noch wichtig sind, oder ob sich externe oder interne Voraussetzungen geändert haben.
Was ist doppelte Wesentlichkeit?
Wer sich mit Wesentlichkeitsanalyse auseinandersetzt, stolpert früher oder später über den Begriff doppelte Wesentlichkeit. Das rührt daher, dass im Zuge der Nachhaltigkeitsberichterstattung in den letzten Jahren verschieden Wesentlichkeitskonzepte entwickelt wurden.
Die doppelte Wesentlichkeit ist ein erweitertes Konzept für die Wesentlichkeitsanalyse, das immer zwei Perspektiven betrachtet.
Mit der Inside-Out Perspektive
ermitteln Unternehmen, welche positiven oder negativen Auswirkungen ihr Handeln auf verschiedene Bereiche der Nachhaltigkeit hat.
Mit der Outside-In Perspektive
werden die Chancen und Risiken eines Nachhaltigkeitsaspektes für die wirtschaftliche Lage des Unternehmens beurteilt.
Bei der Beurteilung der Wesentlichkeit eines Nachhaltigkeitsthemas finden beide Perspektiven Beachtung, aber es müssen nicht beide Perspektiven zutreffen. Ein Thema ist also wesentlich, wenn es Auswirkungen auf umweltbezogene und soziale Aspekte hat ODER auf den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Trifft eine der beiden Perspektiven zu, ist es berichterstattungspflichtig.